85 mm f/1.8 oder 100 mm f/2 USM Makro – die Geschwister aus eigener Produktion machen dem alten Canon EF 100mm f/2 USM nicht unbedingt das Leben leicht. Die Brennweiten ähnlichen sich und auch in Sachen Lichtstärke gibt es keine massiven Unterschiede. Lohnt sich dennoch der Griff zum bereits sehr alten 100mm-Modell aus den frühen 90ern mit Ultraschallmotor? Zumindest der Preis lockt mit recht günstigen 400 Euro. Dennoch liegt dieser knapp über dem der Canon 85 mm f/1.8. Für Porträtaufnahmen im Telebereich von reinen Oberkörper oder Gesichtsaufnahmen stellt die Länge allgemein eine sehr reizvolle Wahl dar. Für Alltagsaufgaben fällt das Objektiv vor allem an APS-C-Kameras zu eng aus. Detailaufnahmen oder räumlich begrenzte Objekte lassen sich jedoch hervorragend aus der Distanz heraus realisieren. Auch auf Konzerten kann die Telebrennweite im Verbund mit den f/2 eine sehr attraktive Freistellung erzielen.
Verarbeitung
Das Objektiv rotiert und fährt dank seiner innen fokussierenden Konstruktion nicht aus. Vorteilhaft ist dies für den Gebrauch von zirkularen Filteraufsätzen. Das 58-mm-Gewinde besteht zudem wie das Bajonett aus Metall und überzeugt durch eine solide und hochwertige Haptik. Ansonsten umhüllt eine Verschalung aus Kunststoff die restliche Optik, die sich in acht Elemente und sechs Gruppen aufteilt. Für seine Lichtstärke und relativ hohe Brennweite wirkt das Canon 100mm f/2 USM noch relativ kompakt. Immerhin: 450 Gramm wiegen noch nicht zu schwer für einen langfristigen Einsatz ohne Gepäckträger. Canon präsentiert einen recht ausgeglichenen Sparringspartner für seine DSLR-Systeme. Trotz des hohen Alters macht das Design nach wie vor eine gute Figur. Staub- und Spritzwasserschutz gibt es leider keinen. Für eine Linse aus dem Jahr 1991 ist dies jedoch nicht sonderlich überraschend. Freunde von Nahaufnahmen erhalten einen leichten Dämpfer, denn mit 90 cm Naheinstellgrenze kommt das Glas auf einen Abbildungsmaßstab von lediglich 1 : 8. Echte Makroaufnahmen gelingen trotz der 100mm nur mit Unterstützung von Zwischenringen oder Vorsatzlinsen. Am Tubus ist ein einfacher Schalter für den Betriebswechsel zwischen manuellem Fokus und Autofokus angebracht.
Autofokus
Der Fokusring läuft angenehm weich und lässt sich glücklicherweise gut greifen, denn der Spielraum zwischen Nahgrenze und unendlichem Fokus fällt etwas kurz aus. Es braucht in Kombination mit der hohen Lichtstärke also viel Feingefühl und Erfahrung, um einen exakten Treffer zu landen. Korrekturen in Echtzeit gestattet der manuelle Fokuseingriff trotz aktivem AF-Betrieb. Rasches Anvisieren des Ziels und eine schnelle Anpassung über den Fokusring gewähren im Zusammenspiel zusätzliche Flexibilität. Generell dürfte dies aber nur bei sehr speziellen Fällen Anwendung finden. Notwendig bleibt eine ständige Nachjustierung des AF nämlich keineswegs. Das Canons AF-System arbeitet in diesem Modell nicht nur schnell, sondern auch äußerst präzise. Nahezu jeder Schuss sitzt perfekt. Dies steigert vor allem den praktischen Nutzen für spontane Schnappschüsse unter möglichst weit geöffneter Blende. Sportaufnahmen in der Halle bleiben damit ein theoretisches Einsatzfeld neben der eher kontrollierten, ruhigen Umgebung bei Porträtaufnahmen. Der USM-AF-Motor vollzieht relativ leise seinen Dienst, macht sich aber durch ein leichtes Schleifgeräusch dennoch bemerkbar. Allerdings existieren definitiv aufdringlichere Alternativen auf dem aktuellen Markt. Schade, aber bei dem Preis noch verschmerzbar: Einen integrierten Bildstabilisator besitzt dieses Objektiv nicht. Da sich auf 100mm beim Fotografieren aus der Hand schnell Verwackler einschleichen, hätten Nutzer von einer zumindest durchschnittlichen Stabilisierung massiv profitiert. Als Low-Light-Linse für Stillleben auf niedrigen ISO-Stufen ist das Canon EF 100mm F/2 USM daher weniger geeignet. Die Anforderungen an schnelle Verschlusszeiten sind mit solchen Brennweiten dafür bereits zu hoch.
Schärfeleistung auf überraschend gutem Niveau
Keiner würde einem derart alten Objektiv es wohl zutrauen: Alle Bilder mit dem Canon 100mm F/2.0 USM offenbaren nahezu keinen Abfall hin zu den Rändern. So liegen die extremen Ecken fast auf dem gleichen Niveau wie das Zentrum. Zwar zeigen sich Telebrennweiten tendenziell besser in dieser Disziplin aufgestellt im Vergleich zu den noch problematischeren Weitwinkelobjektiven, aber dennoch ist dies eine sehr erfreuliche sowie erwähnenswerte Überraschung. Auf Offenblende (f/2) überzeugt Canon mit einem ungewöhnlich scharfen Abbild des Motivs. Meist fällt unter Offenblende bei günstigeren Vertretern von Festbrennweiten die Schärfe noch relativ schwach aus, hinterlässt aber mit Abstrichen unter Nutzung des Gesamtbildausschnittes noch einen befriedigenden Eindruck. Nachträgliche Vergrößerungen sollten jedoch unterbleiben, sonst stoßen Anwender schnell an die optischen Grenzen. Auf dieses Modell trifft dies jedoch nichts zu. Das betagte Design überzeugt in puncto Schärfe auf ganzer Linie. In der 100 %-Ansicht bleiben feine Details bis in die Ränder hoch aufgelöst – ein exzellenter Eindruck, der Lust auf mehr Experimente mit offener Blende macht. Gleichzeitig steigert das Objektiv seine Leistung bereits auf F/2.8 beträchtlich und macht einen ebenso starken Sprung auf dem Weg zu f/4.0. Bilder sind hier nur noch schwer in ihrem Detailreichtum zu überbieten und auch im vergrößerten Ausschnitt absolute spitze. Auf f/5.6 erreicht das optische Design den Höhepunkt seiner Fähigkeiten. Ab F/16 schwächen naturgemäß Beugungsunschärfen das Gesamtbild wieder etwas ab. Die Abbildungsleistung bleibt aber unter der Voraussetzung von ausreichend Tageslicht immer noch brauchbar. Starke Gegenlichtaufnahmen berauben Fotos jedoch ihres Kontrastes. Bilder wirken sehr blass und auch die Neigung zu lilafarbigen Flares beschert dem Canon-Veteranen hier keine Bestnoten.
Chromatische Aberration nur unter Offenblende
Farbfehler fallen allgemein sehr gemäßigt aus. Dank der automatischen Korrektur per Kameraprofil dürften sie nur in absoluten Ausnahmesituationen in das Auge stechen. Darunter fallen etwa extrem hohe Kontraste bei Gegenlichtaufnahmen mit einem hellen Himmel. Hier offenbaren sich lila und grüne Ränder an entsprechenden Stellen in mäßiger Ausprägung. Allgemein betrachtet liegen diese in einem sehr tolerablen Bereich und mit der entsprechenden Vorsicht dürften CAs den Spaß an dem Objektiv und der Offenblende nicht ernsthaft gefährden. Abgeblendet lösen diese unerwünschten Farbverschiebungen sich nach und nach auf.
Bokeh verläuft harmonisch und weich
Das Bokeh gehört definitiv zu der angenehmen Sorte. Keine nervösen Linien oder störenden Doppelkonturen machen sich im freigestellten Hintergrund breit. Canons 100-mm-Geschütz ist damit keineswegs Anwärter auf einen Spitzenplatz in dieser Liga, leistet sich aber im Gegenzeug keinerlei nennenswerte Schwächen. Bokeh-Liebhaber werden mit den Resultaten zufrieden sein. Die acht abgerundeten Blendenlamellen sorgen dabei auf Offenblende für eine schön runde Optik der Lichtkreise. Auf APS-C-Systemen schleicht sich ohne automatische Korrektur etwas Chromatische Aberration an den Lichtkreisen ein. Diese Längsfehler liegen jedoch auf einem niedrigen Niveau und spielen in den meisten Anwendungsfällen keine große Rolle. Insgesamt bietet das Objektiv eine gute Performance. Hässliche Zwiebelringe bei Lichtkreisen oder unästhetisch verzerrte Punktlichtquellen gehören definitiv nicht zum Repertoire.
Verzeichnung und Vignettierung auf niedrigem Level
Es ist keine Überraschung: Verzeichnungen bei Telefestbrennweiten neigen nicht zu übermäßigen Ausfällen. Gleiches ist beim Canon 100mm f/2 USM zu beobachten. Weder tonnen- noch kissenförmige Effekte tauchen selbst bei kritischen Motiven auf. Eine zusätzliche Korrektur über Bildbearbeitung bleibt daher schlicht überflüssig. Ein fast identisches Ergebnis liefert das Objektiv hinsichtlich des Helligkeitsabfalles zu den Rändern ab. Auf f/2 deutet sich nur eine sehr dezente Abschattung in den Ecken an. Ungefähr eine Blendenstufe an Licht schluckt dieses doch nur leicht ausgeprägte Phänomen und dürfte unter alltäglichen Bedingungen im Freien selbst kritischen Betrachtern kaum auffallen. Bei flächigen, einfarbigen Motiven ist dieses Problem per Profilkorrektur rasch aus der Welt geschafft, ohne dafür zu hohe Einbußen in der Abbildungsleistung hinnehmen zu müssen. Bereits ab f/2.8 verschwinden die leicht dunklen Ränder komplett und ermöglichen völlig homogenes Ablichten der Motive. Auf kleineren APS-C-Sensoren dürften Schatten sogar auf Offenblende nahezu irrelevant schwach in Erscheinung treten – ein sehr gutes Ergebnis für APS-C- und Vollformatsysteme.
Fazit
Was das Canon EF 100mm F/2 USM von der täuschend ähnlichen 85-mm-Konkurrenz absetzt, ist der etwas bessere Umgang mit chromatischer Aberration auf Offenblende. Gegenüber dem fast doppelt so teuren Canon 100mm f/2.8 USM Makro gewinnt das Altglas eine komplette Lichtstufe. Diese Variante trumpft aber hingegen mit einer besseren Abbildungsleistung auf und besitzt zudem mit einer Naheinstellgrenze hervorragende Makrofähigkeiten, die dem Canon EF 100mm F/2 USM mit einer minimalen Entfernung von 90 cm leider verwehrt bleiben. Das 85 mm f/1.8 ist einen leichten Hauch unschärfer und bietet geringfügig größeren Lichteinfall durch das Glas. Tendenziell scheint die kürzeste Brennweite in dunkler Umgebung leichte Vorteile für den Gebrauch ohne Stativ zu besitzen. Was nun schwerer wiegt, Reichweite, Lichtstärke oder Neigung zu CAs, muss jeder Anwender für sich selbst abwägen. Für den gebotenen Preis erhalten Nutzer eine gute Porträtlinse, die auch auf Events in Hallen eine gute Figur abliefern wird.
Vorteile
– gut bis sehr gute, durchgängige Schärfeleistung
– schönes Bokeh mit f/2
– nur leicht bis mäßige CA-Neigung an APS-C
– kaum vorhandene Verzeichnung und Vignettierung
– zuverlässiger AF-Betrieb
– solide Ausführung
– fairer Preis
Nachteile
– Kontrastabfall bei extremen Gegenlicht
– kein Spritzwasser – und Staubschutz
– Naheinstellgrenze 90 cm
– kein IS
- NATÜRLICHE PERSPEKTIVE - Dieses mittlere Teleobjektiv mit großer Blende ist ideal bei Landschafts- und Porträtaufnahmen sowie bei Schnappschüssen, um eine natürlich wirkende Perspektive zu erzielen
- GESTOCHEN SCHARF - Das optische Hintergliedfokussierungssystem kompensiert sämtliche Aberrationen und sorgt selbst bei maximaler Blende für eine hervorragende Abbildungsleistung
- IM FOKUS - Das Objektiv bietet eine rasche und leise automatische USM-Scharfeinstellung und ermöglicht jederzeit eine reibungslose manuelle Fokussierung; schneller Autofokus durch Ring-USM
- HOHE LICHTSTÄRKE - Ideal für schwache Lichverhältnisse und für das Fotografieren aus der Bewegung heraus
Letzte Aktualisierung am 30.11.2023 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API