Lichtstarke Objektive sind echten Fotoliebhabern gut vertraut. Vor allem für Porträtarbeit sind wuchtige Linsen mit einer großen Offenblende beliebt. Selbst bei kleineren Sensorformaten gibt es passendes, kompaktes Glas, das ein respektables Freistellungspotenzial garantiert. Doch ein wirkliches Unikat und recht seltene Kombination zieht die Aufmerksamkeit von Kennern auf sich: das Sigma 24mm f/1.4 DG HSM ART. Immerhin verbinden viele Fotografen nicht unbedingt ein Weitwinkelobjektiv für Landschaften oder anderweitige, räumliche ausgedehnte Sehenswürdigkeiten mit der verlockenden Blendenöffnung von f 1.4.
Zugegeben ist Sigmas Angebot mit einem Gewicht von 655 Gramm nicht das einzige seiner Art. Zur Ehrenrettung von Canon, Nikon und auch der koreanischen Objektivschmiede Samyang muss auch deren eigenes, auf dem Datenblatt ähnliches Design mit 24 mm f/1.4 Erwähnung finden. Allerdings erarbeitete sich Sigma besonders mit der Art-Serie zunehmend einen wohl verdienten Ruf und gilt somit längst als ernstzunehmender Konkurrent. Hervorragende Leistung zu einem deutlich günstigeren Preis im Vergleich zu den großen Vorbildern aus dem Hause Canon und Nikon. Deren Alternativen mit der Ausnahme von Samyang sind mit immerhin stolzen 1800 bis 2000 Euro gewiss nichts für schmale Geldbeutel. Sigmas Schützling für Vollformat und APS-C von Canon, Nikon und der hauseigenen Kameraserie wandert hingegen für weniger als 1000 Euro über die Ladentheke. Nur, ist eine Investition wirklich gerechtfertigt?


Erste Eindrücke: Hochwertige Verarbeitung und interessanter Einsatzbereich
Die Vorzüge eines solchen Designs im Weitwinkelbereich liegen klar auf der Hand. Das enorme Freistellungspotenzial mit f/1.4 an Vollformatkameras bringt einen gänzlich neuen Look in Aufnahmen dieser Art. Das Zusammenspiel zwischen Motiv und Einbindung des Hintergrundes erreicht eine neue Sphäre, die mit Standardweitwinkeln kaum zu erreichen wäre. Porträts, die gleichzeitig mit reichlich Umgebung zu einer ansehnlichen Komposition verschmelzen, gehörten definitiv zu den Stärken dieses Objektivs. Der zusätzliche Lichteinfall bringt auch Vorteile im Bereich der Low-Light-Anwendung. Nächtliches Treiben in schummrigen Gassen, Impressionen aus der Fußgängerzone oder der Sternenhimmel locken angesichts des lichtfreundlichen Designs. Haptisch steht das Sigma 24 mm f/1.4 DG HSM ART in einer Linie mit seiner direkten Artenverwandtschaft.
Das Gehäuse ist in mattem schwarz gehalten und besteht ebenso wie der Mount vollständig aus hochwertigem Metall. Nichts lässt auch nur irgendwie den Anschein vermuten, es handle sich hier um eine verhältnismäßig günstige Linse. Wo immer Sigma auch den Sparstrumpf aufgehalten hat, in Sachen Verarbeitung lässt der Traditionshersteller nichts anbrennen. Nachdrücklich bestätigt wird dieser Eindruck auch durch den butterweichen, geriffelten Fokusring mit gummierter Oberfläche. Dank diesem ist der manuelle Eingriff in höchster Präzision jederzeit möglich, wenn auch die Offenblende selbst bei dem verhältnismäßig weiten Bildwinkel von Knapp 84° hier durchaus dem Fotografen etwas Aufmerksamkeit abverlangt. Nicht zuletzt stellt sich eine erhöhte Anforderung an den Bildaufbau durch die Präsenz des Hintergrundes, der im Gegensatz bei Teleobjektiven hier eine gewichtigere Rolle einnimmt. Ein kleiner Wermutstropfen: Auf einen Bildstabilisator verzichtet Sigma. Zwar scheint dieser bei Sportaufnahmen oder der großen Offenblende zunächst sinnlos, aber bei Lichtmangel und Bedarf einer ausgedehnten Schärfenebene ist dieser immer noch ein willkommenes Feature. Immerhin sind dank der Naheinstellgrenze von 25 cm auch Nahaufnahmen von Motiven realisierbar.
An APS-C-Kameras entspricht die Brennweite eher einer 36-mm-Linse am Vollformat und stellt somit einen passablen Kandidaten für Allrounder-Aufgaben für das Treiben in einer Fußgängerzone oder auf belebten öffentlichen Plätzen dar – nicht zu weit und nicht zu eng. Als Extras verbaut Sigma einen simplen Schalter zum Wechsel zwischen Autofokus und dem manuellen Fokus. Ein USB-Dock unterstützt wie gewohnt zusätzliche Optimierungen, sollte ein Firmware-Update anstehen oder eine Ausrichtung des AF notwendig erscheinen.

Sigma 24mm DG HSM ART Bajonett
Langsamer aber treffsicherer Autofokus
Sigma setzt bei diesem Objektiv seine HSM-Technik für den Autofokus ein. Vorteil des von Ultraschall getriebenen Motors ist eine nahezu lautlose Fokussierung des anvisierten Motivs. Lediglich ein leicht mechanisches Schubgeräusch macht auf die innere Arbeit in der Konstruktion aufmerksam. Allerdings fällt die Geschwindigkeit mit teils über einer Sekunde zum Scharfstellen sogar bei guten Lichtbedingungen sehr gemächlich aus. Die direkten Konkurrenten von Canon und Nikon übertreffen Sigmas Variante in dieser Hinsicht um Längen. Da es sich jedoch nicht um eine Wildlife- oder native Sportlinse handelt, sind derartige Rückschläge mit einem Augenzwingern zu verkraften. Immerhin beweist der AF-Modus eine hohe Zuverlässigkeit und belohnt geduldige Fotografen mit einer meist präzisen Scharfstellung auf das Ziel. Zudem gestattet Sigma den sofortigen Eingriff über die manuelle Korrektur via Full-Time-Manual-Fokus. Ein Umschalten der Modi ist daher nicht zwingend nötig.
Abbildungsleistung des Sigma 24mm f/1.4 DG HSM ART
Generell dürfen Anwender von der Art-Serie eine hervorragende Abbildungsleistung erwarten. Sie ist zwar durchaus nicht fehlerfrei gehalten, punktet aber fast in allen entscheidenden Kategorien und lässt so über die ein oder andere Schwäche tröstlich hinwegblicken. Eine erwähnenswerte Ausnahme gibt es dennoch.
Schärfeleistung über alle Blendenstufen gut verwertbar
Allgemein steigt die Schärfe mit einer weiter geschlossen Blende zusätzlich an. Ab ungefähr f/5.6 und f/8.0 liefert Sigma traumhafte Resultate ab für Landschafts- oder Stadtfotografen ab. Vom Zentrum hin bis in die Eckspitze fängt die Kamera dann ein komplett durchzeichnetes und detailgetreues Abbild ein. Typischerweise steigern viele Linsen in diesem Bereich ihre Leistung, doch wie ist es um die weitaus interessantere Offenblende bestellt? Immerhin legt niemand bereitwillig viel Geld auf den Tresen, nur um sich dann von der Nutzung der verführerischen f/1.4 zu drücken. Kurz auf den Punkt gebracht: Im zentralen Bildabschnitt offenbart sich eine bereits gute Zeichnung, die auch über die erweiterte Mitte hinweg erhalten bleibt. Zu den Rändern hin ist ein klarer Schärfeabfall zu beobachten, der vermutlich Landschaftsfotografen unangenehm aufstoßen könnte. Erst ab ungefähr f/2.8 sind hier deutliche Verbesserung und akzeptable Resultate zu erkennen. Somit bleibt die wohl wichtigste Frage bei einem lichtstarken Glas im positiven Sinn geklärt. Die größte Öffnung ist absolut einsatztauglich, sofern Randschärfe keine entscheidende Rolle spielt. Fans von Sternbilderaufnahmen müssen hier eine bittere Pille schlucken. Nicht zuletzt ist auch das recht ausgeprägte Coma verantwortlich für den Schärfeverlust in den Randbereichen und verwandelt dort bei Offenblende und auf f/2.0 punktförmige Lichtquellen in schmierige Linien.
Vignettierung und Verzeichnung
Fotos mit möglichst maximalem Lichteinfall haben im wahrsten Sinne des Wortes ihre Schattenseiten – in Form von beträchtlicher Vignettierung. Die Abdunkelung übersteigt definitiv das gewohnte Maß bei derartigen Objektiven. Geschätzt dürfte sich der Lichtverlust in den Ecken auf gut zwei bis drei Blendenstufen ansiedeln. Für Porträts ist dieser sofort ins Auge stechende Effekt durchaus sogar praktisch und rückt das Motiv noch näher ins visuelle Zentrum des Geschehens. Bei Landschaften oder Aufnahmen in Schwarzweiß dürfte dies jedoch eher stören. Glücklicherweise verflüchtigt sich diese Eigenart auf f/2.0 bereits subjektiv um die Hälfte. Ein weiterer Stopp nach unten zeigt dann so gut wie keine relevante Abschattung mehr an. Spätestens ab f/4.0 dürften selbst kritische Zeitgenossen keine Spur von störenden Helligkeitsverläufen ausmachen. Natürlich kann ein Eingriff per Bildbearbeitungssoftware diese Eigenart auf vertretbare Kosten in Sachen Bildqualität jederzeit kaschieren. APS-C-Nutzer sind von dem Problem naturgemäß etwas weniger betroffen und gewinnen bezüglich der Vignettierung ungefähr eine Stufe an Vorsprung. Verzeichnung fällt selbst bei Nutzung des vollen Lichtkreises an Vollformat kaum auf. Ein dezenter Hauch an Tonnenverzeichnung lässt sich durch nachträgliches Bearbeiten vollkommen eliminieren. Allgemein beweist das Sigma 24 mm f/1.4 DG HDM ART auch in diesem Bereich einen exzellenten Einstand.
Fantastisches Bokeh und kaum sichtbare Farbsäume
Chromatische Aberration ist vor allem bei niedrigen Blendenwerten häufig ein risikobehaftetes Thema. Glücklicherweise nennt das Sigma 24 mm f/1.4 DG HSM ART hier keinerlei nennenswerte Schwächen sein Eigen. Im Gegenteil: Farbsäume im Bokeh, auch Farblängsfehler genannt, sind nur auf niedrigem Niveau auszumachen. Die Bokehbälle bleiben somit weitestgehend frei von grünlicher oder lilafarbener Gesellschaft an kontrastreichen Übergängen. Noch bessere Resultate offenbart Sigma bei hohen Kontrasten in der Schärfeebene selbst. Hier ist die Neigung zu Farbquerfehlern extrem gering ausgeprägt und nur bei Nahansichten bei kritischer Betrachtung ansatzweise zu erkennen. Noch besser: Sphärische Abbildungsfehler hält die optische Konstruktion ebenso beeindruckend im Zaum. Doppelte Kanten oder seltsame Muster innerhalb der Lichtkreise kommen praktisch nicht vor. Das Fehlen einer ausgeprägten Zwiebelringoptik wertet die Qualität des Bokehs zusätzlich auf. Insgesamt vermittelt es einen absolut weichen und geschmeidigen Bildeindruck und kann in ästhetischer Hinsicht absolut überzeugen.
Fazit
Sigmas eigenes 24 mm-Variante der f/1.4-Generation für Vollformat und APS-C kann unterm Strich gut überzeugen und lädt dank starker Offenblende zu einzigartigen Porträts mit starkem Bezug zur Umgebung ein. Während Schärfe, Bokeh und Farbsäume exzellent ausfallen, trüben intensiv ausgeprägtes Coma und eine starke Vignettierung bis f/2.0 die ansonsten so gute Abbildungsleistung. Wett macht Sigma dies mit einer äußerst geringen Verzeichnung, die vor allem bei Architekturen unerwünschte Verformungen nahezu komplett ausschließt. Traditionell eher mäßig fällt der Autofokus aus. Kameras ohne schnelle Verschlussmechanismen mit weniger als 1/8000 bekommen selbst bei ISO 100 Probleme, kritische Stellen bei Sonnenlicht nicht ausbrennen zu lassen. Ein Graufilter bleibt dann die einzige Lösung für dieses Dilemma.
Vorteile
+ exzellente CA-Korrektur
+ kaum Verzeichnung
+ Lichtstärke
+ Offenblende nutzbar
+ durchgehend scharf ab f/5.6
+ Weitwinkel mit gutem Freistellungspotenzial
+ wunderbares Bokeh
+ guter Preis
Nachteile
– enorme Vignettierung bei f/1.4
– langsamer AF
– starkes Coma
– kein Stabilisator
- Lichtstarkes Weitwinkel-Objektiv der A (Art)-Produktlinie
- Extrem lichtstarkes Weitwinkel für das Vollformat
- Naheinstellgrenze 25cm
- Ideal für Landschafts-, Indoor- und Astrofotografie
- Lieferumfang:Objektiv;Gegenlichtblende LH830-03;Frontdeckel LCF III;Rückdeckel LCR II;Köcher;Bedienungsanleitung;Garantiekarte
Letzte Aktualisierung am 10.06.2023 / Affiliate Links / Bilder von der Amazon Product Advertising API